Kompensationsmaßnahmen und Ausgleichsflächen beim Autobahnbau: Der Natur ein Stück zurückgeben

Weidende Rinder am Rheinufer, eine blühende Naturlandschaft mitten im ehemaligen militärischen Sperrgebiet, Zäune als Orientierungshilfe für Fledermäuse – was hat das mit der Autobahn zu tun?


Beim Neu- und Ausbau von Autobahnen sind Eingriffe in die Umwelt oft unvermeidbar. Die Autobahn GmbH plant die Baumaßnahmen so, dass die Eingriffe in Natur und Landschaft so gering wie möglich gehalten werden.

Die sogenannte Eingriffsregelung nach dem Bundesnaturschutzgesetz verpflichtet die Autobahn GmbH gesetzlich dazu, ihre vorhabenbedingten Eingriffe durch gleichartige oder gleichwertige Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege auszugleichen. Diese Maßnahmen sorgen dafür, dass für jeden Eingriff in die Natur an anderer Stelle etwas zurückerstattet wird. Deshalb sind Kompensationsmaßnahmen und Ausgleichsflächen feste Bestandteile in der Planung und Umsetzung infrastruktureller Großprojekte.

Mit Kompensationsmaßnahmen Eingriffe ausgleichen

Kompensationsmaßnahmen zielen darauf ab, die durch den Autobahnbau verursachten Eingriffe in die Natur auszugleichen. Diese Maßnahmen werden nach dem Prinzip „Eingriff und Ausgleich“ durchgeführt. Das heißt: Für jede durch den Bau verlorene oder veränderte Fläche wird ein ökologisch mindestens gleichwertiger Ersatz geschaffen. Oft werden betroffene Gebiete durch die Kompensationsmaßnahmen aufgewertet. Beispielsweise wenn während des Ausbaus Grün- bzw. Wildbrücken gebaut werden, die nun Lebensräume wieder verbinden, die zuvor durch die Autobahn zerschnitten waren. 

Mitunter lassen es die landschaftlichen Flächenverhältnisse – so zum Beispiel im dicht besiedelten Ballungsraum entlang der Rheinschiene – nicht zu, dass in unmittelbarer Nähe einer durchgeführten Baumaßnahme der Autobahn GmbH auch gleich eine Kompensation erfolgen kann. So ist es möglich, dass Kompensationsflächen auch in etwas größerer Entfernung zum eigentlichen Bauvorhaben liegen können.

Weidende Rinder am Rheinufer: Kompensationsmaßnahmen für die neue Leverkusener Rheinbrücke

Die Brückenpfeiler der neuen Leverkusener Rheinbrücke sind größer als die der alten Brücke. Dementsprechend verdrängen sie mehr Wasser – ein Problem bei Hochwasser. Zum Ausgleich wurde eine Flutmulde im Überflutungsgebiet Monheimer Rheinbogen umweltverträglich erweitert. Zusätzlich wurde im Planfestbeschluss festgelegt, dass in der Aue zwischen den Kölner Stadtteilen Worringen und Langel ein Naturschutzprojekt mit saisonaler, extensiver Beweidung umgesetzt wird. 

Von Mai bis Oktober grasen jährlich rund 20 Glanrinder auf den Rheinwiesen. Die Beweidung hat gleich mehrere Funktionen: Auf der einen Seite wird zur Erhaltung der schützenswerten Rinderrasse beigetragen, auf der anderen Seite grasen die Tiere die Flächen ab und pflegen sie damit. Zudem verhindern die Rinder, dass Unbefugte die geschützten Flächen betreten. Dies führt dazu, dass sich im Naturschutzgebiet bedrohte Vogelarten ansiedeln und nisten können.

Ausgleichsflächen: Neue Lebensräume schaffen

Neben den Kompensationsmaßnahmen gibt es die sogenannten Ausgleichsflächen, als Ersatz für die im Autobahnbau verlorengegangenen Naturflächen. Sie werden möglichst in der Nähe des Bauprojekts eingerichtet, um sicherzustellen, dass die betroffene Region weiterhin ausreichend ökologische Vielfalt bietet. Diese Flächen sind langfristig geschützt und werden so gestaltet, dass sie neue Lebensräume für bedrohte Arten bieten oder den Wasserhaushalt in der Region stabilisieren. Ausgleichsflächen sind ein wichtiger Bestandteil der Umweltplanung und stellen sicher, dass trotz des Autobahnbaus die biologische Vielfalt erhalten bleibt. 

Ein preisgekröntes Projekt: Die Ausgleichsfläche Camp Altenrath

Mittlerweile erinnert nur noch eine große Hinweistafel daran, dass die rund 40 Hektar große Fläche im Süden von Köln eine große Panzer-Kaserne war. Seit 1954 nutzten die belgischen Streitkräfte das Gelände in der Wahner Heide für militärische Zwecke. Mit Aufgabe der Kaserne 2004 eroberte sich die Natur die zum Großteil versiegelte Fläche zurück. Heidenelke und Heidelerche, Mehl- und Rauchschwalbe fanden hier Platz. 

Als Kompensationsmaßnahme für den Ausbau der A3 im Kölner Autobahnring wurden zwischen Januar 2012 und Januar 2015 – jeweils außerhalb der Brutzeit - alle oberirdischen Gebäude abgerissen und versiegelte Flächen zurückgebaut. Insgesamt sind 120 Gebäude abgerissen und 22 ha Fläche entsiegelt wieder zu wertvollen Naturschutzflächen entwickelt worden. Der größte Teil der Fläche wird seitdem von geeigneten, robusten Tierrassen (u.a. Islandpferden und Ziegen) als Offenland gepflegt. Die offene Heide ist Lebensraum seltener und gefährdeter Pflanzen- und Tierarten (u.a. Heidenelke und Heidelerche).

2019 erhielt das Projekt im Wettbewerb „UN-Dekade Biologische Vielfalt“ einen Sonderpreis für die bisher geleistete Bildungs- und Informationsarbeit. Diese hat bundesweiten Vorbildcharakter. Die gemachten Erfahrungen werden u.a. vom Bundesforst in internen Schulungen und Dienstbesprechungen an die bundesweit agierenden Mitarbeiter weitergegeben. 

Lebensraum für seltene Pflanzen: Das Jävenitzer Moor

Eine weitere einmalige Ausgleichsfläche ist das Jävenitzer Moor. Südöstlich von Gardelegen am Nordrand der Colbitz-Letzlinger Heide in Sachsen-Anhalt gelegen, ist es die größte Ausgleichs- und Ersatzmaßnahme im Zuge der Nordverlängerung der A14. Das eigentliche Moor wurde über 150 Jahre durch Entwässerungsmaßnahmen stark geschädigt. Nun lebt das Moor durch Renaturierungsmaßnahmen wieder auf. Das Jävenitzer Moor ist mittlerweile Lebensraum für eine Vielzahl bedrohter und geschützter Tier- und Pflanzenarten. Die in Sachsen-Anhalt stark gefährdete Glockenheide und der Mittlere Sonnentau wachsen hier. Die Revitalisierung des Jävenitzer Moores ist daher ökologisch unwahrscheinlich wertvoll. Der Zustand des Moores wird fortlaufend durch Fachleute aus den Bereichen Forst, Ökologie, Umweltschutz und Hydrologie umfangreich dokumentiert und bewertet. Weitere Informationen zum Jävenitzer Moor finden Sie hier

Warum sind diese Maßnahmen wichtig?

Der Bau von Autobahnen geht zwangsläufig mit Eingriffen in die Natur einher. Ohne Kompensationsmaßnahmen und Ausgleichsflächen würden wertvolle Lebensräume für Tiere und Pflanzen unwiederbringlich verloren gehen. Auch wenn die Begriffe sehr technisch klingen, haben sie einen ganz klaren Zweck: Sie sorgen dafür, dass die Balance zwischen Fortschritt und Naturschutz gewahrt bleibt. Autobahnen sind wichtig für die Mobilität und die Wirtschaft. Doch die Natur ist unser gemeinsames Erbe, das geschützt werden muss. Durch die Maßnahmen wird sichergestellt, dass der ökologische Fußabdruck des Autobahnbaus so klein wie möglich bleibt.