Brückenbau in Nordbayern

Abnutzung über die Jahre hinweg oder auch der zunehmende Anteil an (Schwerlast-)Verkehr - Es gibt viele Gründe warum Brücken erneuert werden, doch wie werden gerade große Talbrücken durch neue Bauwerke ersetzt?

Talbrücke Kürnach nach Querverschub
Talbrücke Kürnach nach Querverschub (Foto: Jan R. Schäfer)

Die A7 im Abschnitt Fulda – Würzburg ging 1968 unter Verkehr. Aufgrund der Mittelgebirgstopografie waren in diesem Abschnitt eine ganze Reihe großer Talbrücken erforderlich. Diese wurden nach dem technischen Regelwerk ihrer Zeit dimensioniert und berechnet. Der Verkehr hat sich in dieser Zeit jedoch verzehnfacht, die Gesamtgewichte und Achslasten des Schwerverkehrs haben innerhalb dieser Entwicklung nochmal exponentiell zugenommen.

Langlebige, am steigenden Verkehrsaufkommen bemessene Konstruktionen, die sich zudem ins Landschaftsbild einfügen sollen deshalb die in die Jahre gekommenen Bauwerke ersetzen.

Dabei gilt es den Verkehr so wenig wie möglich zu beeinflussen. Viele Brücken bestehen aus zwei Teilbauwerken, also für jede Fahrtrichtung ein Bauwerk. In diesem Fall wird dann der Verkehr auf eines der beiden Teilbauwerke zusammengeführt, das freigewordene Teilbauwerk wird abgebrochen und neu hergestellt. Anschließend wird der Verkehr auf das neu hergestellte Teilbauwerk verlegt, das andere wird abgebrochen und ebenfalls neu hergestellt – fertig.

Etwas komplizierter gestaltet sich der Ablauf, wenn die bestehende Brücke nur aus einem Bauwerk für beide Fahrtrichtungen besteht. Meist muss die neue Brücke aufgrund zahlreicher Zwangspunkte und Randbedingungen genau in der Achse der alten stehen. Beim Abbruch des Bestandsbauwerks stünde dem Verkehrsteilnehmer bis zur Fertigstellung des neuen Bauwerks keine Brücke zur Verfügung. Die Ausleitung des kompletten Autobahnverkehrs für viele Monate in das nachgeordnete Straßennetz ist zumeist keine Option.

Um den Verkehr auch während der Bauzeit auf der Autobahn belassen zu können, wird daher das sog. Bauen in Seitenlage mit anschließendem Querverschub des Überbaus praktiziert. Der zuerst hergestellte Überbau des neuen Bauwerks wird dabei in Seitenlage, also neben dem unter Verkehr stehenden Bestandsbauwerk auf Behelfspfeilern errichtet. Anschließend wird der Verkehr über einen Behelfsdamm auf den in Seitenlage befindlichen ersten Überbau des neuen Bauwerks geleitet. Danach wird der zweite Überbau auf endgültigen Pfeilern in seiner Endlage errichtet. Nach dessen Fertigstellung wird der Verkehr über diesem zweiten Überbau geführt. Am Ende muss der tonnenschwere und teils hunderte Meter lange Koloss des ersten Überbaus in seine Endposition auf die endgültigen Pfeiler verschoben werden. Die Behelfspfeiler in Seitenlage werden dann abgebrochen, der Behelfsdamm zurückgebaut. Dies ist immer eine besondere Herausforderung:  Zum einen müssen die Unterbauten und die Gründung der Behelfs- sowie der endgültigen Pfeiler so bemessen werden, dass die beim Querverschub auftretenden Kräfte statisch sicher und für das künftige Bauwerk schadlos eingeleitet werden können. Zum anderen muss die querverschobenen Brücke nach Umbau der Lager sowie der Fahrbahnübergangs-Konstruktionen geometrisch exakt in den Widerlagern und auf den Pfeilern dort liegen, wo sie planmäßig für den Endzustand auch liegen soll.

Im Gebiet der Niederlassung Nordbayern wurden im Juni 2021 innerhalb von zwei Wochen gleich zwei Talbrücken auf diesem Wege in Ihre endgültige Position befördert, die Talbrücke Kürnach und die Talbrücke Rothof.

Querverschub der Talbrücke Kürnach am 28. und 29. Juni 2021

Die 13.000 Quadratmeter große Kürnach-Brücke ist 353 Meter lang, 36 Meter breit und besteht aus zwei Teilbauwerken. Ein Teilbauwerk wiegt insgesamt 16.000 Tonnen. Die Spannbetontrog - Überbauten wurden im Taktschiebeverfahren hergestellt. Beim Querverschub waren 410 Tonnen Zugkraft nötig, um den Überbau auf den von Hilfspfeilern unterstützten fünf Verschubbalken über ein rostfreies Edelstahlblech und ultraglatte PTFE-Platten (Teflon) mit Hydrauliksträngen auf den Pfeilern als Ganzes zentimeterweise und sehr langsam über eine Länge von 19,72m in seine neue Lage zu ziehen.

Die im Zuge der A7 südöstlich der Anschlussstelle Würzburg/Estenfeld liegende Talbrücke Kürnach wird bis Herbst 2021 durch einen Neubau ersetzt.

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Querverschub der Talbrücke Rothof am 8. und 9. Juni 2021

Ähnlich gestaltete sich der Querverschub an der 410 Meter langen, im Prinzip baugleichen Talbrücke Rothof. Hierbei wurden an den Zugvorrichtungen  - im Gegensatz zur Talbrücke Kürnach, wo dies über Gewi-Stäbe erfolgte - Litzenheber angebracht, die nach Anspannen über Hydraulikpressen den Querverschub verrichteten. Die für den Querverschub erforderlichen Verschubkräfte wurden hier ebenfalls über die Pfeilerachsen eingeleitet.  Der Verschub erfolgte in allen Lagerachsen auf speziellen Gleitlagern. Die an den Unterseiten der Verschubschlitten angebrachten Teflonplatten dienten hierbei als Kontaktpunkt zum Epoxidharz auf den Verschubbahnen. Der Querverschub des ca. 17.800 Tonnen schweren Überbaus erfolgte über eine Strecke von 19,75 m.

Die im Zuge der A7 südöstlich der Anschlussstelle Würzburg/Estenfeld liegende Talbrücke Rothof wird bis Ende 2021 durch einen Neubau ersetzt.

Weitere Informationen zum Projekt

Im Abschnitt der A7 zwischen der Landesgrenze Hessen/Bayern bis zu Autobahnkreuz Feuchtwangen/Crailsheim wurden bereits mehrere Großbrücken durch einen Neubau ersetzt (u. a. TB Bräubach, TB Klöffelsberg, TB Schraudenbach sowie die 750m lange Sinntalbrücke, die durch eine spektakuläre Totalsprengung abgebrochen wurde). Derzeit sind 6 große Talbrücken in Bau (TB Rothof, TB Pleichach, TB Kürnach, TB Werntal, TB Stettbach und die Thulbabrücke). Bis etwa zum Jahr 2030 sollen die restlichen Großbrücken in diesem Abschnitt fertiggestellt sein, darunter so gewaltige Bauwerke wie die Mainbrücke Marktbreit oder die Grenzwaldbrücke, beide sind ca. ein Kilometer lang und weisen eine Höhe von ca. 100 m über Grund auf. Die letztgenannte Brücke besteht aus nur einem Teilbauwerk, so dass sich auch hier die bei der TB Kürnach bzw. TB Rothof dargestellten Schwierigkeiten beim Bauverfahren und der Verkehrsführung stellen, nur in gewaltigeren Dimensionen…

Nach Fertigstellung aller Bauwerke in diesem Abschnitt und der damit verbundenen Anpassung der Tragfähigkeit und der Verkehrssicherheit an die heutigen und (hoffentlich) zukünftigen Anforderungen sollte die A7 im Zuständigkeitsbereich der Niederlassung Nordbayern bauwerksseitig wieder für Jahrzehnte allen an sie gestellten Aufgaben gewachsen sein.

Ebenfalls im Juni eingeschobene Brücken im Taktschiebeverfahren:

Längsverschub der Talbrücke Thulba am 18. Juni 2021

Die im Zuge der A7 südlich der Anschlussstelle Bad Kissingen/Oberthulba liegende Talbrücke Thulba wird bis Ende 2026 durch einen Neubau ersetzt.

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Längsverschub der Talbrücke Werntal am 16. Juni 2021

Die im Zuge der A7 südlich des Autobahnkreuzes Schweinfurt/Werneck liegende Talbrücke Werntal wird bis Ende 2023 vollständig erneuert.

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