Rasante Straße der Optimierung

Tempo, Geschwindigkeit, Rausch des Forttriebs und Fortschritts. Keine andere Straße ist derart zentral für unseren heutigen Fahralltag, wie die AVUS. Jeder, der einmal aus Berlin rausgefahren ist, kennt vielleicht dieses eigenwillige und kurze Staunen über das Vorhandensein einer offenbar völlig nutzlosen Tribüne. Diese ist verwunschen kaputt und zugleich von einer restlichen Erhabenheit, die dem Vorbeifahrenden das Gefühl vermittelt, selbst auf einer Rennstrecke zu sein.

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Die AVUS feiert 100. Geburtstag!

Diese Berliner Strecke feiert in diesen Tagen ihr 100-Jähriges. Sie wurde nicht in der Nazizeit gebaut oder erdacht. Am 24.09.1921 wurde aufgrund des Pionier- und Fortschrittsgeist der Zwanziger durch den ungewöhnlichen Bau eine etwas mehr als 8 Kilometer langen Geraden ermöglicht. Und die AVUS ist bis heute ungewöhnlich innovativ.

Unscheinbar und idyllisch klingt es, wenn wir aus Potsdam oder Berlin kommend an dem Abzweig Hüttenweg vorbeirauschen, mit Tempo 100. „100“ ist die goldene Zahl, die über dieser Straße, der ehemals schnellsten Rennstrecke der Welt, seit der Wende 1989 schwebt.

Fahren Sie einmal auf ihr, nur zum Vergnügen. Von kaum einer anderen Großstadtstraße könnte man sagen, dass sie ein solches hervorruft. Und wer kennt nicht dieses Gefühl der Freiheit, wenn er nach zehrenden Minuten auf dem Berliner Ring oder innerhalb von Berlins Straßen endlich auf die AVUS abbiegen darf, jene schmale und eng gewundene Ausfahrt auf eine lange Gerade nun in eine unvergleichliche stadtnahe Stadtlosigkeit zu gelangen. Spätestens am Abzweig Hüttenweg freut man sich doch wieder über sein Auto, und empfindet die Weitläufigkeit von Mobilität.

Innovation

Das Innovativste an der AVUS ist wohl diese eigentümlich gelungene Verbindung. Sie schafft eine Gerade zum Kreis der Großstadt, sie erzeugt den Eindruck von Schnelligkeit, und dass bei Tempo 100. Sie ist jene Freiheit, loszufahren, die jedes Automobil erst durch solche Straßen verkörpert.  Sie ist nicht die älteste Autobahn der Welt. Aber das muss die AVUS gar nicht, sie bricht dennoch alle Rekorde an Innovationskraft.

Historie

Bereits 1909 wurde die Initiative zum Bau der Automobil-Verkehrs- und Übungsstraße ins Leben gerufen. Schon vier Jahre später, 1913, begannen die Bauarbeiten an der heutigen AVUS. Jäh mussten diese mit Beginn des 1. Weltkrieges 1914 eingestellt werden. Die Zukunft blieb ungewiss. Eine Mischung aus zeitgeistigem Fortschrittsdruck, Ideenreichtum und privaten Investitionen erlaubte die Wiederaufnahme der Bauarbeiten und Fertigstellung im selben Jahr, 1921. Am 24. September 1921 fand das erste Autorennen auf der AVUS statt. Ihre feierliche Einweihung markiert den Beginn einer Legende der Mobilität. Durch eine Nordkurve in Westend und eine Südkurve in Nikolassee war sie mittlerweile zu einem 19 Kilometer langen Kurs geworden.

Dieser Kurs war jedoch damals ein teures Vergnügen, das 10 Mark pro Richtung kostete. Erst viel später, im Zuge der Freigabe an den Verkehr durch die Anbindung an den Berliner Ring, wurde diese elitäre Note fallengelassen.

Straße der Optimierung

Seit ihrem Bau gab es diverse Umbauten und Erweiterungen. Die AVUS ist die Straße der Optimierung. Zunächst um höhere Geschwindigkeiten zu ermöglichen. Aber auch eine so rasante Strecke hatte ihre Startblockaden. In den Anfangsjahren war die AVUS übersät mit Bodenhügeln und Wellen, einige Zentimeter hoch, die vielfach Unfälle produzierten. Manche tragisch und tödlich. Nach Ihrer Eröffnung folgte rasch die Weltwirtschaftskrise. In den Jahren der Inflation wurde die AVUS kaum befahren, Rennen fanden wenige oder überhaupt nicht statt. Die Automobilindustrie war an einen Tiefpunkt angelangt. Von der Bevölkerung zerstückelt, abgetragen und verfeuert, aus blanker Not, stand die AVUS erneut vor dem Ende.

Mit der wirtschaftlichen Erholung der mittleren Dreißiger und dem bald darauf einsetzenden Fokus auf technische Überlegenheit gab es einen verspäteten Schub und zweiten Start der AVUS. 1937 wurde die Nordkurve vollständig umgebaut und zu einer spektakulären Schrägkurve, welche das Durchfahren mit wesentlich höherem Tempo erlaubte. Bereits im Mai 1937 gelang es Hermann Lang einen Rekord von 400 km/h aufzustellen, der bis heute nicht gebrochen wurde. Jetzt entstand auch die prägnante Tribünenanlage sowie der fabelhaft runde Baukörper des Mercedes Hauses und späteren Motels.

Die AVUS wurde zum Austragungsort vieler großer Rennen, der große Preis von Deutschland, das Formel-1-Rennen mit seinen Tributen, Rennen aller Klassen und Typen: all dies liegt zwischen 1926 und 1967.

1967 wurde die Nordkurve wieder abgetragen und tiefgestellt. Innovation bedeutet nun nicht mehr vorrangig Geschwindigkeiten, sondern Sicherheit.

Viele Elemente des Straßenbaus wurden erstmals auf der AVUS getestet und für die besonderen Ansprüche an die Strecke entwickelt, um eine höhere Sicherheit zu gewähren, die heute zum Standard auf deutschen Autobahnen gehört.

Die Tribüne ist mittlerweile im Umbau und wird demnächst als Eventlocation und mögliches Museum den Duft der Rennen modern erlebbar machen.

Heute ist die AVUS eine der wichtigsten Zufahrten nach Berlin, die täglich von unzähligen Autofahrerinnen und -fahrern benutzt wird. Rennen werden seit 1998 nicht mehr ausgetragen, obwohl es Bemühungen gibt. Seither gilt Tempo 100 auf ihr.

Die AVUS zu feiern ist mehr als bloßer Rückblick. Jeder, der auf einer Autobahn fährt, egal wo, egal wann, profitiert noch immer von dieser einen.