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Dreifelderwirtschaft fürs Gehölz

Die Kolleginnen und Kollegen der Autobahnmeisterei Breitenworbis revolutionieren die Gehölzpflege an der Südharzautobahn. Was 45 Grad mit einer besseren Gehölzpflege zu tun haben.

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Der Häcksler und die Motorsäge schnurren. Mitarbeitende der Autobahnmeisterei Breitenworbis ziehen Bäume und Büsche vom Hang. Auf den ersten Blick ist das nicht ungewöhnlich, denn zwischen Oktober und Februar ist Gehölzpflegesaison an der Autobahn. Auf den zweiten Blick erkennt man erst, dass die Arbeiten im Gehölz in gewissen Abständen durchgeführt werden. Dazwischen sind weiter Bäume und Sträucher in ihrer vollen Pracht zu erkennen. 

Bundesweites Pilotprojekt

Die Autobahnmeisterei Breitenworbis wurde vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr und der BASt ausgewählt, Gehölzpflege auf einer Versuchsfläche im Rahmen ökologischer, biologischer und verkehrssicherheitstechnischer Gesichtspunkte durchzuführen – als einzige Autobahnmeisterei bundesweit! „Wir waren einfach offen dafür, unsere Herangehensweise bei der Gehölzpflege zu überdenken“, startet Michael Stitz, der stellvertretende Autobahnmeister aus Breitenworbis, seine Erzählungen zum Gehölzpflege-Projekt. „Es ist immer spannend, die eigenen Arbeitsweisen zu hinterfragen und sich mit neuen Ansätzen auseinanderzusetzen“, erzählt er weiter.

Die Zusammenarbeit für das Pilotprojekt findet mit dem Steinbeis-Transferzentrum Infrastrukturmanagement für Verkehrswesen (IVM) statt. Das Institut arbeitet an einer Studie zum Thema „Fortentwicklung Grünpflege“. Das große Ziel:Die Flora und Fauna auf den Grünflächen der Autobahn erhalten und dabei die Verkehrssicherheit erhöhen. Dafür wählte das Steinbeis-Transferzentrum gemeinsam mit der Autobahnmeisterei Breitenworbis eine geeignete Grünfläche aus. Die Wahl fiel auf eine Fläche in der Nähe der Bebertalbrücke zwischen den Anschlussstellen Heilbad Heiligenstadt und Arenshausen. Hier wurden die vorgegebenen Anforderungen erfüllt: Grünflächen, die nicht landwirtschaftlich bewirtschaftet werden, sowie ein Wald in der Nähe.

Ein Versuch auf 600 Metern

Die Versuchsfläche ist insgesamt 600 Meter lang. 300 Meter davon werden wie gehabt bearbeitet: Bäume und Büsche werden auf der gesamten Fläche komplett zurückgeschnitten. Bei den restlichen 300 Metern kam ein von Steinbeis entwickeltes und mit der Autobahnmeisterei Breitenworbis abgestimmtes neues Konzept zum Einsatz.

Wie bei einer Dreifelderwirtschaft wird die 300 Meter lange Versuchsfläche im Drei-Jahres-Rhythmus bearbeitet:

  • 1. Jahr: Es werden 12 Meter breite Schneisen bearbeitet, 24 Meter bleiben stehen.
  • 2. Jahr: Die im 1. Jahr bearbeiteten 12 Meter bleiben unangetastet, die nächsten 12 Meter werden bearbeitet, 12 Meter bleiben stehen.
  • 3. Jahr: Die im 1. und 2. Jahr bearbeiteten 24 Meter bleiben unangetastet, die letzten 12 Meter werden bearbeitet.

Die jeweils 12 Meter breiten Flächen werden jedoch nicht vertikal den Hang hinauf bearbeitet, sondern in einem 45° Grad-Winkel angelegt. Diese Schneise wird so geschlagen, dass sie in Fahrtrichtung der Fahrbahn verläuft. „Das war tatsächlich ein Hinweis von uns, denn manchmal müssen wir größere Bäume aus dem Dickicht ziehen und dann ist es zum einen sicherer für die Kolleginnen und Kollegen, die Bäume in Fahrtrichtung herauszuziehen, zum anderen ist es auch für die Autofahrerinnen und Autofahrer weniger irritierend, wenn ihnen unsere Kolleginnen und Kollegen entgegen dem Verkehr mit einem Baum entgegenlaufen“, erklärt Michael Stitz. Die Schneise hat aber noch weitere Vorteile: „Durch die schräge Schneise haben wir kein Problem mit Schneeverwehungen“, berichtet Florian Friedemann, der für die Baum- und Bauwerkskontrolle in Breitenworbis zuständig ist. Dafür werden zusätzlich auch die Bäume ganz oben am Hang stehen gelassen. „So können weder Schnee noch Matsch den Hang runter und auf die Fahrbahn rutschen“, erzählt er weiter „Zudem sparen wir uns das Aufstellen von Schneezäunen, das ist nämlich ziemlich aufwendig und bedarf viel Abstimmung mit den jeweiligen Landwirten in der Umgebung“, ergänzt Michael Stitz. Und für die Autofahrerinnen und Autofahrer erscheint der Hang spätestens ab dem Sommer auch nach wie vor als ein schöner Grünstreifen, denn die Schneisen sind kaum ersichtlich.

Vom Hang in die Heizung

Für die kleingehäckselten Büsche und Bäume ging es vor der Studie wieder zurück an den Hang. „Das Häckselgut blieb vorher am Hang liegen. Das war die gängige Praxis.“, erzählt Stitz. Doch dafür wurde nun ebenfalls eine innovative neue Lösung gefunden: Das Gehölz wird gehäckselt, gesammelt und dann kostenlos an die Stadtwerke Nordhausen abgegeben. Diese nutzen es zur Wärmegewinnung in ihrem Biomassekraftwerk. Das Biomassekraftwerk wiederum versorgt die Stadt Nordhausen mit Warmwasser und Fernwärme. Eine Win-Win-Situation also für das Heizwerk und die Autobahnmeisterei.

Michael Stitz, Florian Friedemann und Bauwart Jens Thomas sind jetzt schon begeistert von dem Projekt und sind sich einig: In der Autobahnmeisterei Breitenworbis wird Gehölzpflege von nun an neu geschrieben!

Gehölzpflege
Vom 01. Oktober bis Ende Februar läuft die jährliche Gehölzpflege an der Autobahn. Dieser Zeitraum ergibt sich aus den Vorgaben des „Gesetzes über Naturschutz und Landschaftspflege“. Im Vordergrund der Gehölzpflege steht die Verkehrssicherheit, denn die Sicht muss frei und Schilder zu erkennen sein. Zudem dürfen von Bäumen und Sträuchern keine Gefahren für Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer ausgehen. Dafür werden die Grünflächen der Autobahnen alle drei bis fünf Jahre gepflegt.

Gehölzpflege der Zukunft an der A38