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A66 Riederwaldtunnel – Eidechsenlinsen und Fledermaus Hop-Over

Es ist weder von veganer Ernährung für Reptilien noch von einem Fitnessprogramm für Fledertiere die Rede. Vielmehr handelt es sich um zwei der zahlreichen Maßnahmen, die beim Bau des Riederwaldtunnels in Frankfurt die Umwelt und insbesondere deren Bewohner schützen und erhalten sollen.

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Eidechsenlinsen, angrenzende Kleingärten und Waldgebiet | © Hessen Mobil

Von vorne

Seit der Fertigstellung des letzten Abschnittes "Tunnel Neuhof" im September 2014 ist die A 66 von Frankfurt am Main bis zu ihrem Ende an der A 7 bei Fulda durchgehend fertiggestellt.

Was allerdings noch fehlt, ist der letzte, etwa zwei Kilometer lange Abschnitt der die A 66 an die A 661 (Ostumgehung Frankfurt) anbinden soll.

Zwangsläufig läuft der Verkehr von der provisorischen Anschlussstelle Bergen-Enkheim weiter zum Stadtzentrum durch das Gewerbegebiet an der Borsigallee und das Wohngebiet der Straße "Am Erlenbruch". Bei deutlich über 20.000 Fahrzeugen am Tag bedeutet dies für die Anwohner eine massive Belastung mit Lärm, Abgasen und Feinstaub. Die Straßennutzer ihrerseits, zum Großteil Berufspendler, sind durch die permanenten Staus im Berufsverkehr ebenfalls stark beeinträchtigt.

Nach zahlreichen Variantenuntersuchungen und jahrelangen Baurechts- und Klageverfahren ist nun das Ende der „provisorischen“ Anschlussstelle in Sicht. Der letzte Abschnitt der A 66 mit dem Riederwaldtunnel wird gebaut.

(Info: https://www.tunnelriederwald.de/)

Das Kreuzungsbauwerk zur Anbindung an die A 661 ist bereits fertiggestellt. Die baulichen Vorabmaßnahmen - wie die komplette Neustrukturierung des Ver- und Entsorgungsnetzes zur Schaffung eines freien Baufeldes für den Tunnel - sind in vollem Gange.

Hier kommen nun die Eidechsen ins Spiel

Denn beim Neubau einer Autobahn sind Eingriffe in die Umwelt unvermeidlich. Der Gesetzgeber schreibt vor, dass zum Teil noch vor dem Baustart Ausgleich geschaffen werden muss.

Zwar verläuft der Tunnel künftig unter der Stadtstraße „Am Erlenbruch“ also in mitten eines bebauten Gebietes, aber am östlichen Tunnelende liegt das Baufeld für die künftige Anschlussstelle Borsigallee. Im Bereich dieser für den Tunnelbau freigehaltenen städtischen Brachfläche hat sich über die Jahre ein Aufwuchs aus Wiesen, Sträuchern und Gehölzen entwickelt. In diesem Gebiet wurden Zauneidechsen entdeckt. Zur Minimierung des Verletzungs- bzw. Tötungsrisikos müssen die geschützten Tiere vor der Baufeldfreimachung umziehen.

Dazu wurde im Jahr 2020 die Fläche zu weiten Teilen beräumt, Büsche und Unterwuchs wurden entfernt. Es wurden jedoch Grüninseln erhalten, die als Rückzugsgebiete dienten. Schließlich wurden die Tiere eingefangen. Zur Erhöhung des Fangerfolgs wurden auf der Fläche Dachpappen und Bretter ausgelegt, die von den Reptilien gerne als Sonnplätze oder Tagesversteck genutzt werden.


Als neuer Lebensraum wurde eine städtische Grünfläche abseits der Bebauung in Nachbarschaft eines Kleingartengeländes und eines Waldes gewählt, die durch extensiv genutzte Wiesen und Wiesenbrachen im Wechsel mit Gebüschen, Gehölzgruppen und Säumen geprägt ist. Um den Erfolg der Umsiedlung sicherzustellen und den Neuankömmlingen bessere Startbedingungen zu bieten, wurde ein Teil des Areales speziell „eidechsenfreundlich“ gestaltet.
 


Hierzu wurden fünf „linsenförmige“ Stein-/Sandhaufen, in sonnenexponierter Lage hergestellt. Jede „Eidechsenlinse“ umfasst etwa 30 m3 Schüttmaterial, das zur einen Hälfte aus groben Steinen und zur anderen Hälfte aus nährstoffarmem Quarzsand besteht. Etwa 1/3 des Materials wurde zur Schaffung geeigneter Winterquartiere in den Boden eingebaut, der Aushub jeweils an die Nord-/Ostseite der Steinschüttungen zu Wällen modelliert und angesät. Zusätzlich wurden Totholz- und Komposthaufen angelegt, die als Versteckmöglichkeit dienen und Futtertieren einen Lebensraum bieten.

Die Eidechsen werden im Umsiedlungshabitat nicht sich selbst überlassen. In der fünfjährigen Phase der Funktionskontrolle erfolgt eine Überprüfung des Zustandes der Tiere (Zecken, Krankheiten) sowie der Annahme und des Besatzes der 5.900 m2 großen Fläche.

Um das Areal vor Wildschweinen (Waldnähe) und Hunden (Spaziergänger) zu schützen, wurde zusätzlich zum auf dem Bild zu sehenden Reptilienschutzzaun - der die Tiere in der Fläche hält - ein zusätzlicher Schutzzaun um das Gelände errichtet. Hat sich die Fläche etabliert, werden die Zäune entfernt. Zur Abgrenzung der Fläche und zum Schutz vor Befahren dienen dann die gepflanzten heimischen Gehölze und Bruchsteinfindlinge.
 

Zauneidechsen (Lacerta agilis) zählen zur Gattung der Smaragdeidechsen. Ihr Verbreitungsgebiet reicht von England bis zum sibirischen Baikalsee und von Mittelschweden bis Griechenland. Zauneidechsen sind relativ anpassungsfähig und stellen eigentlich keine hohen Ansprüche an ihre Lebensräume. Sie bewohnen strukturreiche Flächen im Offenland, Saum- und Übergangsbereiche an Wald- und Feldrändern, als Kulturfolger auch gerne Lebensräume in naturnahen Gärten oder entlang von Straßen, Bahnstrecken und Zäunen – daher ihr deutscher Name.

Die Art ist in Hessen unterhalb 500 m ü. NN nahezu flächendeckend und mehr oder weniger geschlossen verbreitet - sofern geeignete Lebensräume vorhanden sind.

Auf der Roten Liste der Reptilien und Amphibien Hessens (6. Fassung, Stand 1.11.2010) ist die Zauneidechse zwar als „RL* = ungefährdet“ eingestuft, auf Grund ihrer Listung im Anhang IV der Flora-Fauna-Habitatrichtlinie der Europäischen Union, genießen sie jedoch einen strengen Schutz nach dem Bundesnaturschutzgesetz.

Eine weitere Tierart, die speziellen Schutz genießt ist die Bechsteinfledermaus


Sie kommt ebenfalls im Projektraum vor und gehört sogar zu den „Berufspendlern“. Ihr Weg zwischen ihren Wohn- und ihren Futterhabitaten führt entlang der Straße „Am Erlenbruch“. Dabei orientieren sie sich an einer langgezogenen Baum- und Gehölzreihe die in einer Grünfläche nördlich der Straße verläuft.  Neben den Tieren selbst, wird auch diese „Leitstruktur“ besonders geschützt.
 


Die Tiere orientieren sich nicht nur hinsichtlich der Richtung, sondern auch der Flughöhe am Bewuchs. Gerade bei der Querung von Verkehrstrassen ist also eine ausreichende Bewuchshöhe wichtig, damit die Tiere quasi über den Verkehr hüpfen. Aber Hüpf-Drüber klingt befremdlich, dann also Hop-Over. Ist auch englisch, also much cooler.

Dort wo bauzeitlich Lücken in der Leitstruktur entstehen, werden diese durch Bäume in großen mobilen Pflanzkübeln geschlossen. Wichtig ist hier der Abstand untereinander sowie eine entsprechende Mindesthöhe.
 


Weitere Maßnahmen zum Schutz und zur Förderung der Fledermäuse:

  • Anbringung von Fledermauskästen im Fechenheimer Wald - 75 St.
  • Verzicht auf eine forstliche Nutzung im Fechenheimer Wald - 155.000 m²
  • Rückbau von Fuß- /Reitwegen im Fechenheimer Wald - 1.900 m²
  • Anlage von Irritationsschutzwänden an der A 66
  • Errichtung einer 20 m breiten Grünbrücke über die A 66 (s.u.)
     

Die Bechsteinfledermaus ist eine mittelgroße Fledermausart mit einer Länge von 4,5 - 5,5 cm und einem Gewicht von 7 - 12 Gramm. Sie hat auffallend lange und relativ breiten Ohren. Ihr Fell ist vergleichsweise lang, die Haarbasis dunkel-graubraun, die Oberseite fahl- bis rötlichbraun und die Unterseite hellgrau.

Sie ist eine typische Waldfledermaus, die in Mitteleuropa und insbesondere in Deutschland ihren Verbreitungsschwerpunkt hat. Deutschland ist deshalb in hohem Maße für die Bechsteinfledermaus verantwortlich.

Im Sommer bezieht die Art ihre Wochenstubenquartiere in Baumhöhlen. Da sich die Wochenstuben häufig in kleinere Untergruppen teilen und noch dazu häufig ihre Quartiere wechseln, benötigt die Bechsteinfledermaus ein besonders hohes Quartierangebot von bis zu 50 Baumhöhlen in einem Sommer. Ihre Lebensräume befinden sich in alten, mehrschichtigen, geschlossenen Laubwäldern, vorzugsweise Eichen- und Buchenbestände, mit einem hohen Alt- und Totholzanteil. Außer in Wäldern jagt die Art auch auf Streuobstwiesen und in halboffener Landschaft. Die Bechsteinfledermaus ernährt sich überwiegend von Insekten, die sie von Pflanzen absammelt.

Die Rote Liste Deutschland sowie Hessen stuft die Bechsteinfledermaus als stark gefährdet ein.

Gut für Tier und Mensch: Die Grünbrücke

Im Zuge des Projektes A 66 Riederwaldtunnel wird eine Grünbrücke über die A 66 errichtet. Die neue Grünbrücke über die vorhandene Autobahn liegt im Verlauf der heutigen Wirtschaftswegebrücke zwischen Fechenheim und Enkheim. Durch die Brücke werden die bisher durch die bestehende Autobahn getrennten Waldstücke wieder vernetzt. Fledermäuse, wie Bechstein- oder Wasserfledermaus, können zukünftig gefahrlos die Autobahn überqueren und entlang der auf der Brücke wachsenden Sträucher vom Wald südlich der Autobahn Richtung Norden zum Berger Hang fliegen und dort neue Nahrungsbiotope erreichen. Auch andere Tiere, wie Rehwild oder Eidechsen, können die Autobahn über die 20 Meter breite und bewachsene Grünbrücke queren. Für Fußgänger und Radfahrer bedeutet die neue begrünte Brücke auch eine attraktive Wegeverbindung über die stark befahrene Autobahn.

Für Interessierte abschließend noch ein Überblick über die landschaftspflegerischen Maßnahmen im Zuge des Projektes A 66 Riederwaldtunnel in Stichworten:

Trassennahe Ausgleichsanlagen:

  • Anlage von heimischen, standortgerechten Baum- und Strauchpflanzungen - 3.800 m2
  • Gehölzpflanzung, Ergänzung der Leitstruktur mit heimischen, standortgerechten Baum- und Strauchpflanzungen - 2.055 m2
  • Wiederherstellung einer naturnahen FIießgewässerverbindung - 3.015 m2
  • Dichte Gehölzpflanzung im Übergang zum Waldbestand (Waldmantelbepflanzung) - 8.440 m2
  • Pflanzung von Einzelbäumen, Baumreihen und -alleen - 328 St.
  • Anbringung von Fledermauskästen im Fechenheimer Wald - 75 St.
  • Pflanzung von Laubwald zwischen dem Schwanheimer Ufer und dem Main-Südufer - 67.460 m2
  • Verzicht auf eine forstliche Nutzung im Fechenheimer Wald - 155.150 m2
  • Rückbau von Fuß- /Reitwegen im Fechenheimer Wald - 1.915 m2

Trassenferne Ausgleichsmaßnahmen:

  • Pflege und Neuanlage von Streuobstwiesen bei Seckbach - 6.820 m2
  • Anlage von Kleinstrukturen im Bereich der städtischen Grünfläche an der ,,Leuchte" zur Förderung von Reptilien - 5.900 m2
  • Nistkastenanbringung im Offenland - 15 St.
  • Nistkastenanbringung in Siedlungen und im Wald - 35 St.

Gestaltungsmaßnahmen

  • Landschaftrasen, Gehölzpflanzungen, Bäume, Sträucher, Grünflächen auf einer Gesamtfläche von 159.000 m2

Ersatzmaßnahmen:

  • Begrünung von Erdwällen an A 5 und B 3 - 75.000 m2
  • Anlage eines Altwassers im Fechenheimer Mainbogen - 7.500 m2

Ökokontomaßnahmen:

  • Airfield Büdingen, Feuchtbiotop Heliport - 500 m2
  • Amphibienteich im Fechenheimer Wald - 1.000 m2

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Hintergrundinfo Quellen:

  • Homepage NABU/News/2019/Dezember: Anpassungsfähig und dennoch bedroht, Die Zauneidechse ist „Reptil des Jahres 2020“
  • Rote Liste der Reptilien und Amphibien Hessens (6. Fassung, Stand 1.11.2010)
  • Bundesamt für Naturschutz: Bechsteinfledermaus (Myotis bechsteinii)