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Anwalt, Architekt und Umzugshelfer

Landespfleger Volkmar Hahn schaut sich eine Ausgleichsmaßnahme für Fledermäuse an der A33 an. Ein Fund begeistert ihn besonders.

Biologe Benjamin Hamann hält eine Bechsteinfledermaus in den Händen.
Biologe Benjamin Hamann hält eine Bechsteinfledermaus in den Händen.

Anwalt, Architekt und Umzugshelfer

Westfalen. Volkmar Hahn strahlt beim Anblick der kleinen Bechsteinfledermaus übers ganze Gesicht. Das nur wenige Zentimeter große Tier hat es sich in einem Wäldchen in der Nähe von Halle in einem Nistkasten gemütlich gemacht. Die Umsiedlung der seltenen Fledermausart an der A33 scheint zu funktionieren. Für den Landespfleger der Autobahn Westfalen ist der Fund ein wichtiger Beweis für den Erfolg seiner Arbeit.

Leicht verschlafen blinzelt indes die Fledermaus in die Frühlingssonne. Im Zuge einer Kontrollzählung hatte Biologe Benjamin Hamann sie zuvor behutsam aus der Nisthilfe hervorgeholt, in der noch etwa sieben bis acht ihrer nachtaktiven Artgenossen dicht aneinander gekuschelt den Tag verschlafen. Rasch notiert er Geschlecht und Größe, ehe er das Säugetier wieder in die Freiheit entlässt.

Gelebter Artenschutz

Hahn hatte das Monitoring zuvor ausgeschrieben. Er fungiert gemeinsam mit anderen Landespflegerinnen und Landespflegern als grünes Gewissen der Autobahn Westfalen. Unter anderem wählt er bei Neubauprojekten Ausgleichsflächen aus, auf denen der Fortbestand bedrohter Tier- und Pflanzenarten gewährleistet ist. Entsprechen die verfügbaren Flächen nicht den Anforderungen, sorgt Hahn für ihre Aufwertung durch Bepflanzung oder Umgestaltung. Damit ist er gleichzeitig Anwalt, Architekt und Umzugshelfer. Eine verantwortungsvolle Aufgabe. „Und das schönste an meiner Arbeit ist, wenn ich sehe, dass eine Artenschutzmaßnahme funktioniert“, sagt Hahn.

Während der Ingenieur an diesem Tag die Kontrolle der Nistkästen und die Umsetzung der ausgeschriebenen Maßnahmen vor Ort begleitet, sitzt seine Kollegin Katja Rex in ihrem Büro und bereitet die Ausschreibung einer Kartierung vor. Denn für jedes Bauprojekt müssen zunächst Flora und Fauna genau erfasst und ausgewertet werden. Aufgrund des Umfangs werden dafür externe Ingenieurbüros beauftragt. „In erster Linie erfolgen unsere Abstimmungen mit den Unteren und Höheren Naturschutzbehörden. Zudem arbeiten wir mit den örtlichen ehrenamtlichen Naturschützern zusammen“, sagt Rex. Die wissen oft am besten, wo auf bedrohte Arten besonders zu achten ist. „Es geht darum, gemeinsam gute, zielführende Lösungen im Sinne der Artenvielfalt zu finden“, so die Landespflegerin.

Grünbrücken als Querungshilfen

Die neue sogenannte „Wochenstube“ der Bechsteinfledermaus – jenes Quartier, in dem die Weibchen ihren Nachwuchs zur Welt bringen – ist ein gutes Beispiel dafür. Die vorgezogene Ausgleichsmaßnahme ist mit dem Lückenschluss der A33 entstanden. Zuvor hatten die Fledermäuse, die nun einige der 209 Nistkästen in ausgesuchten Waldquartieren in direkter Umgebung besiedeln, ihr Revier auf der jetzigen Autobahntrasse. Um ihre Population aufrecht zu erhalten, wurden alle erdenklichen Maßnahmen ergriffen. Schon der Verlauf der Autobahn trägt dem Artenschutz und den Bedenken von Naturschützern Rechnung. Den Schlenker zur Umfahrung des Tatenhauser Walds bezeichnet Hahn liebevoll als „Ökobeule“. Hätte man durch den Wald hindurch gebaut, wäre zu viel wertvoller Lebensraum verloren gegangen.

Doch auch mit der jetzigen Streckenführung wurden zahlreiche artenschutzrechtliche Maßnahmen umgesetzt. Rund um das neue Revier der Bechsteinfledermäuse habe man Hecken und Bäume gepflanzt, verrät Hahn. Über die Autobahn führen zudem mehrere Grünbrücken als Querungshilfe. „Die Bechsteinfledermaus fliegt relativ tief über den Boden und orientiert sich mithilfe von Ultraschall an Umgebungsstrukturen“, erklärt er. Deshalb habe man durch die Bepflanzung Leitstrukturen geschaffen, die die Fledermäuse zu den Grünbrücken lotsen. Dadurch wird verhindert, dass die Tiere über die Autobahn fliegen und von Fahrzeugen erfasst werden.

Ob die getroffenen Schutzmaßnahmen ausreichen, wird sich endgültig erst bei einem populationsbezogenen Monitoring im Sommer zeigen. Bis dahin muss sich Hahn parallel um den Schutz von Steinkauz, Schleiereule, Feldlerche und Rebhuhn kümmern. Die kommen nämlich ebenfalls in der Gegend vor und haben noch einmal ganz andere Ansprüche als die Bechsteinfledermaus.

Autobahn Westfalen sucht Landespfleger

Zur Unterstützung sucht die Autobahn Westfalen unter anderem an den Standorten Dillenburg und Münster derzeit weitere Landespflegerinnen und -pfleger. „Bei der Autobahn haben neue Kollegen nicht nur Gestaltungsspielräume, sondern bekommen auch die Gelegenheit, sehr vielfältige Projekte zu begleiten“, verspricht Hahn. Voraussetzung ist ein abgeschlossenes Studium (Dipl.-Ing. FH / Bachelor) in der Fachrichtung Landespflege bzw. vergleichbare Kenntnisse und Erfahrungen.