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Autobahn Westfalen: Sand, Kies und Schilf sorgen für sauberes Wasser

In Regenwasserbehandlungsanlagen (RWBA) wird das Oberflächenwasser, das von Autobahnen abfließt, gereinigt. Ein wichtiger Beitrag zum Umweltschutz.

In einem Betonbecken wächst Schilf.
In der Regenwasserbehandlungsanlage Schwerte-Ergste wächst Schilf zur Wasserreinigung.

Hamm/Schwerte. Still ruht der See – oder besser: das Wasser im Betonbecken. Sechs Wasserbauexperten der Autobahn Westfalen beugen sich wenige Meter neben der A1 bei Schwerte über das Geländer einer Regenwasserbehandlungsanlage. Am Himmel ist ausnahmsweise einmal keine Wolke, kein Regen in Sicht – und doch ist genau der Niederschlag Thema der Fachexkursion.

Regenwasserbehandlungsanlagen – kurz RWBA – gehören zur Autobahn wie Mittelleitplanke und Hinweisschilder, die Becken rechts und links der Strecken fristen im Vergleich dazu aber ein eher unscheinbares Dasein. Aus Sicht von Martin Obertrifter zu Unrecht: „Wir leisten mit der Regenwasserbehandlungen einen wichtigen Beitrag zum Umweltschutz“, sagt der Bauingenieur, der sich seit mehr als 30 Jahren mit dem Thema Wasser beim Straßenbau befasst. Und noch etwas betont der Wasserexperte: „Die Niederlassung Westfalen entwickelt die Anlagen stetig weiter – mit Blick auf die Ökologie, aber auch auf Funktionalität. Unsere Anlagen sind innovativ und auf höchsten Stand der Technik“

Fabian Madeo ist Straßenwärter und begleitet die Ingenieure, nicht nur, weil er die etablierten Anlagen genau kennt, „mich interessieren natürlich auch die Neubauten, die demnächst ans Netz gehen“, sagt der 32jährige. Schließlich sind er und seine Kollegen für die störungsfreie Funktion der Anlagen verantwortlich. Alle drei Monate werden die RWBAs abgefahren und geprüft, „und natürlich immer dann, wenn es irgendwo einen Unfall mit austretenden Flüssigkeiten gegeben hat.“ Öl, Diesel oder Gefahrstoffe, die in Tanklastzügen transportiert werden, sollen ebenso wenig ins Grundwasser gelangen wie zum Beispiel der Reifenabrieb, der mit dem Regen von der Straße gespült wird. „Unsere Anlagen trennen diese Stoffe – in unterschiedlichen Reinigungsstufen“, erklärt Martin Obertrifter. Das Ziel: klares Wasser, das selbst in ein Trinkwasserschutzgebiet fließen darf.

Ölige Flüssigkeiten schwimmen oben

Im Ruhrtal gelingt dies an der Regenwasserbehandlungsanlage Schwerte Ergste. Nicht nur dort teilt sich die Anlage in den sogenannten RiStWag-Abscheider mit zwei Kammern und zwei Kammern des Retentionsbodenfilters auf. RiStWag steht für „Richtlinien für bautechnische Maßnahmen an Straßen in Wassergewinnungsgebieten“, der Abscheider ist Teil der in dieser Richtlinie vorgeschriebenen Wasserbehandlung. „Hier werden Feststoffe zurückgehalten“, erklärt Martin Obertrifter mit Blick auf die auf der Wasseroberfläche schwimmenden Plastik-Reste. In einem zweiten Schritt können aber auch sogenannte Leichtstoffe „abgeschieden“ werden. Ölige Flüssigkeiten sind leichter als Wasser und bleiben an der Oberfläche. Eine etwa 30 Zentimeter in das Becken reichende Betonwand garantiert somit, dass nur das Wasser ins nächste Becken laufen kann. Das Öl bleibt zurück und kann abgepumpt werden.

Der Retentionsbodenfilter wiederum ist eine kleine Öko-Kläranlage, in der Schilf die Reinigung des Wassers übernimmt. Die Pflanzen wachsen auf einem geschichteten Boden aus Filterkies, Filtersubstrat und carbonathaltigem Kies, die Wurzeln des Schilfs sorgen dabei nicht nur für Halt, sondern sie lockern den Boden auch dauerhaft auf. All das wird auf anschaulichen Tafeln direkt neben dem Becken beschrieben, dazu der Hinweis „Schilf nicht mähen!“. Früher gab es für jede Anlage ein Beckenbuch, das alle Informationen für die Wartung enthielt. „Wir haben diese Informationen nun auf großen Schautafeln zusammengefasst, damit auch zum Beispiel die Feuerwehren im Ernstfall sofort sehen, wie die Anlage aufgebaut ist.“ Auf der Tafel ist nicht nur angegeben, welcher Absperr-Schieber im Notfall geschlossen werden muss, auch das genaue Einzugsgebiet der Anlage ist auf einer Karte zu sehen. „Eine ähnliche Tafel – allerdings mit weniger Fachbegriffen – stellen wir an den Anlagen auf, die für die Öffentlichkeit sichtbar sind“, will Martin Obertrifter den Bürgerinnen und Bürgern gerne erklären, wie die Autobahn Westfalen ihrem gesetzlichen Auftrag nachkommt, die Gewässer zu schützen.

Mikroplastik im Blick

Die Experten-Tour hat unterdessen die letzte Station erreicht: ein riesiges Regenrückhaltebecken in direkter Nähe des A1-Rastplatzes Lichtendorf. Die Rastanlage wird derzeit ausgebaut, so dass mehr LKW einen Stellplatz finden. Die dazu gehörige Regenwasserbehandlungsanlage ist ebenfalls noch im Bau und liegt etwas unterhalb des großen Beckens. „Der hohe Versiegelungsgrad einer solchen Stellplatzanlage kann bei starkem Regen einen hohen Wasserdruck für die RWBA bedeuten“, erklärt Martin Obertrifter, warum ein 3300 Kubikmeter fassendes Becken vorgeschaltet wird. „So überlasten wir die Filteranlage nicht und können das angefallene Regenwasser nach und nach an die RWBA abgeben.“ Auf dem Boden des Beckens weist Obertrifter noch auf eine Sperre aus Gabionen hin. Eine Innovation, mit der die Autobahn Westfalen schon im Rückhaltebecken Mikroplastik herausfiltern will. Der Ingenieur ist schon jetzt auf die Ergebnisse gespannt. „Die Anforderungen an die Wasserqualität steigen“, sagt Obertrifter.

In Kontakt mit den Wasserbehörden

Dass es nicht nur um Reinigung des ablaufenden Wassers, sondern auch um eine kontrollierte Abführung der Niederschläge von den versiegelten Flächen geht, ist den Entwässerungsexperten der Autobahn Westfalen nicht erst seit der schweren Flutkatastrophe im Juli bewusst. „Wir berechnen die Wassermengen, die von den Fahrbahnen und Parkplätzen abfließen, nach einer vorgeschriebenen Norm“, sagt Martin Obertrifter. Dabei sei man im Austausch mit den Wasserbehörden und würde in besonderen Lagen u.a. auch unter Berücksichtigung des Klimawandels unabhängig vom verwendeten Bemessungsverfahren bei Aus- und Neubau ein Zuschlag auf das ermittelte Rückhaltevolumen einräumen.

 

Hintergrund

  • Etwa 400 Regenwasserbehandlungsanlagen betreibt die Autobahn Westfalen an ihren Strecken.
  • Davon Anlagen mit Retentionsbodenfilter (Auswahl):
    • A 45, Schwerte – Ergste
    • A 45, Haus Ruhr Wandhofen
    • A 1, Gehrenbach
    • A 1 / A 45 Wannebach II.
    • A 1, Hagen – Hengstey (geplant)
    • A 44, Westerschledde (geplant)
    • A 445, Neubau der A 445 Abschnitt Hamm – Werl (geplant)
  • · Beim Streckenausbau wird auch die Entwässerung an den Stand der Technik angepasst.
  • · Mit der Entwicklung von Retentionsbodenfilteranlagen ist die Niederlassung Westfalen neue Wege bei der Entwässerung und Wasserbehandlung gegangen.
  • · Die neuen Anlagen bieten nicht nur für die Mitarbeiter über Treppen (statt Leitern) einen sicheren Einstieg, auch Amphibien können über eine Kunstrasen-Rampe aus dem Becken wieder heraus.