Innovation im Fokus | Klimaschutz in Vergabe und Baupraxis
Straßenbau und Klima
Betrachtet man den Lebenszyklus einer Straße, so entstehen die meisten Treibhausgase bei der Rohstoffgewinnung und der Herstellung des Asphalts, gefolgt von der Erhaltung der Fahrbahn. Entscheidend für die Klimabilanz sind demnach die Baustoffe und ihre Verarbeitung sowie die Einbauqualität (Haltbarkeit). Auf dieser Grundlage hat die Außenstelle Heidelberg in Kooperation mit dem Deutschen Asphaltverband (DAV) Baden-Württemberg eine CO2e-Berechnungsmethode erarbeitet und in die Vergabe integriert. Aufgrund ihrer Dominanz in der Klimabilanz wurde dabei der Fokus auf die Herstellungsphase gelegt.
Vergabekriterium CO2e
Die Datengrundlage der Berechnung bilden valide, anerkannte CO2e-Stammdaten für alle Roh-, Zusatz- und Brennstoffe. Bieter geben das verwendete Gestein, Bitumen und sämtliche Zusätze mit Menge und Herkunft an, zudem den Brennstoff der Anlage, die Technologie zur Erwärmung des Asphaltgranulats usw. Hinzu kommen – dieser Punkt reichte über die Herstellung hinaus – Angaben zu den Transportfahrzeugen und -entfernungen zwischen Mischwerk und Baustelle. Damit sollte ein Anreiz dafür geschaffen werden, Transportwege möglichst kurz zu halten und so den Schadstoffausstoß zu reduzieren.
In der Angebotsphase konnten die Bieter alle geforderten Daten bequem über ein mit der SUSTRAVIA GmbH eigens entwickeltes Online-Tool zur CO2e-Berechnung eingeben. Aus all diesen Daten wurde die Menge CO2e in Kilogramm pro Tonne Mischgut berechnet und im Verhältnis 70 zu 30 neben dem Preis gewertet. Wie sich eine Eingabe auf den Gesamtwert auswirkt bzw. welche Hebel besonders wirkungsvoll sind, war für die Bieter dabei sofort transparent und nachvollziehbar zu erkennen. Der CO2e-Gesamtwert floss dann als zweites Wertungskriterium in die Vergabe ein und wurde schließlich im Bauvertrag festgehalten.
Klimaeffizienz in der Praxis
2024 starteten die ersten Heidelberger Pilotprojekte mit dem neuen Vergabekriterium CO2e-Bilanz. Und tatsächlich ging der Zuschlag an jene Bieter, die bei der Klimaeffizienz vorne lagen. Schnell zeigte sich: Mit dem neuen Ansatz können wirksam Anreize für Klima-Anstrengungen der Bauindustrie geschaffen werden. Viele Werkzeuge stehen dabei schon heute zur Verfügung - und mit dem Kriterium CO2e vor Augen können weitere Innovationen entstehen. Als großer Auftraggeber kann die Autobahn GmbH auf diese Weise den Wandel von reiner Kostenbetrachtung hin zu einer Nachhaltigkeitsbewertung von Bauprojekten unterstützen.
Um den vertraglich festgehaltenen Wert für die Gesamtemissionen einzuhalten, kamen in der Bauphase – in dieser Konzentration erstmalig – gleich mehrere Strategien und Instrumente zur CO2e-Reduzierung zum Einsatz:
temperaturabgesenkter Asphalt – energiesparende, emissionsarme Herstellung
Qualitätsstraßenbau Autobahn Asphalt 4.0 (QAA 4.0): digitale Steuerung der zentralen Prozesse auf der Baustelle für mehr Ressourceneffizienz und optimale Einbauqualität (mehr erfahren)
maximales Recycling durch Erhöhung der zugegebenen Asphaltgranulatmengen (Ressourcenschonung)
ausschließliche Verwendung von Asphaltgranulat aus der Bestandsfahrbahn (keine vermeidbaren Transportwege und mehr Möglichkeiten für die Qualitätskontrolle)
Einsatz von Biobrennstoff in der Mischanlage bzw. Biokraftstoff (HVO) beim Transport
kurze Wege zwischen Mischwerk und Baustelle – weniger Treibstoffverbrauch & Ausstoß
Klimaziele sind erreichbar!
Ein Pilotprojekt auf der A6 zwischen Wiesloch/Rauenberg und dem Walldorfer Kreuz (Erneuerung der Fahrbahn nach Mannheim), bei dem all diese Instrumente zusammengeführt wurden, brachte 2025 schließlich den Durchbruch. Um zu überprüfen, ob die vereinbarten CO2e-Gesamtemissionen eingehalten wurden, führte die Autobahn GmbH eine Nachbilanzierung durch. Das Ergebnis beeindruckte: rund 40 % CO2e-Einsparung gegenüber der heutigen Baupraxis und über 70 % gegenüber jener von 1990. Mit anderen Worten: Die Klimaziele 2030 (65 %) sind für uns schon heute erreichbar!